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Arbeit im Wandel: Digitalisierung im Forst – IG BAU LV Bayern veranstaltete ein Seminar am 20.- 21. April 2018

2018-07-01 09:39 von Andreas Schlegel

Die Landesvertretung und die Fachgruppe veranstalten ein Seminar zum Thema "Digitalisierung unserer Arbeitswelt im Forst". Mitglieder haben gewerkschaftliche Positionem erarbeitet und Handlungsaufträge für die IG BAU erstellt

Der digitale Wandel in der Arbeitswelt geht oft mit arbeitsbedingter psychischer Belastung einher. Ein wesentlicher Faktor dabei ist die hohe Arbeitsintensität, die für viele Beschäftigte im gesundheitsgefährdenden Bereich liegt. Welche Verbesserungen bei der Qualität der Arbeitsbedingungen sind notwendig? Wie kann die Arbeit weniger belastend gestaltet werden? Welche Kompetenzen brauchen wir, um die Digitalisierung unserer Arbeit als Forstwirt, im Büro und im Außendienst zu gestalten? Was können Ausbildungsstätten dafür tun? Was müssen Arbeitgeber/ Dienstherren dafür tun? Welche Möglichkeiten brauchen unsere Interessensvertretungen?

 

Um darauf Antworten zu finden und gewerkschaftliche Forderungen an die Arbeitgeber und an die Politik zu entwickeln, haben sich KollegInnen aus Forstverwaltung, BaySF und Ausbildungsstellen für zwei Tage in Wolnzach in der Hallertau getroffen.

 

Prof. Dr. Friedbert Bombosch beschrieb die aktuelle Entwicklung. Von den derzeit bundesweit arbeitenden 7500 Forstwirten sind etwa die Hälfte gesundheitlich eingeschränkt. Nur noch 3500 – 4000 sind aktiv in der Holzernte tätig. Mitte der 1970 er Jahre wurden erstmals Holzdaten für die Entlohnung und den Verkauf erfasst. Die Einführung mobiler Datenerfassungsgeräte führte zur rechnergestützten Produktion und zu einer immer stärkeren Orientierung aller Arbeitsprozesse hin zum Stücklohn. Durch Vollmechanisierung wurden Arbeitsplätze abgebaut. Die Gründung von Landesforstbetrieben und die Einführung von SAP und Derivaten hatten in der Nachfolge das Ziel, die Wertschöpfung hinsichtlich Kundenorientierung und Kostensenkung zu optimieren. Personalkosten wurden reduziert, der Unternehmereinsatz wurde verstärkt. Die Zahl der Forstwirt- Azubis sank in der Folge bundesweit um fast ein Viertel. Auch der Verwaltungsapparat wurde verkleinert. Forstämter und Reviere wurden zusammengelegt.

Das in den nächsten 10 Jahren altersbedingt bevorstehende massive Ausscheiden bei den BeamtInnen und Tarifbeschäftigten sowie die stetige Weiterentwicklung digitaler Medien bietet jetzt die Chance, sich erneut mit der Optimierung und Vernetzung von Produktions- und Organisationsprozessen (Forstwirtschaft 4.0) zu beschäftigen. Allerdings muss hier klar sein, wer Leistung erbringt, wie diese bewertet und wem sie zugerechnet wird. Bombosch stellt infrage, dass die Leistungsbewertung in den Betrieben richtig läuft. Die „sogenannten Leistungsträger“ sind längst nicht immer auch diejenigen, die eine Leistung erbringen. Wenn man nach den Leistungsträgern in einer großen Firma fragt, denkt man selten an die einfachen Mitarbeiter.

Die digitale Entwicklung passiert auf dreierlei Weise: Aufnahmemedien, Speichermedien und Nutzermedien verändern sich gleichzeitig und gleichermaßen rasant.

-          Bei der Aufnahme können z.B. anhand des DynaWIS (Dynamisches Waldinventur System) mit der vollmechanisierten Holzernte auch die Daten des verbleibenden Bestandes so erfasst werden, dass jeder beliebige Bestand mit einem „genetischer Fingerabdruck“ individualisierbar wird. Daraus ergeben sich Informationen über das Waldlager. Ähnlich wie bei Amazon können Betriebe angeben: „soundsoviel Stück/ fm auf Lager“.

-          Mit Sensoren ausgestattete Endgeräte (Motorsägen, Freischneider….) übermitteln Maschinen- und Nutzerdaten permanent an eine Cloud. Durch die digitale Übewachung der Geräte (und Nutzer) können Arbeitsprozesse, Maschinenwartung und Arbeitsverfahren optimiert werden.

 

-          In einem Anfangsstadium befindet sich derzeit das maschinenbegleitete Lernen mit Hilfe der eingebetteten Realität (Augmented Reality). Unternehmen können durch diese „smarten Methoden (z.B. durch das Einblenden von Hilfslinien beim Einparken mit Rückfahrkamera). die Lernzeiten um etwa die Hälfte verkürzen und Schulungskosten um ein Drittel reduzieren.

 

Bombosch sieht in der aktuellen Entwicklung im Forst große Probleme:

 

-          Die digitale Vernetzung und Kommunikation im Bereich der Holzernte ist bundesweit unterschiedlich weit entwickelt. Derzeit existieren nur „Inselartige Lösungen“.

-          Die Säge- und Holzwerkstoff- sowie Papierindustrie warten auf verlässliche Informationen über das Waldlager und auf sicheren Datentransfer bei der Logistik (Liefertermine und –mengen)

-          Der Holzhandel könnte wertvolle Hinweise vom Markt an die Holzproduktion geben. Hier muss erst noch eine Kommunikation aufgebaut werden.

-          Die Forstbranche hat ein akutes Personalproblem.

-          Der Ausbau digitaler Netze im ländlich geprägten Raum sowie die Datensicherheit und Zuständigkeiten sind noch ungenügend entwickelt.

-          Rechtliche Grundlagen sind noch nicht entwickelt / angepasst. Die Frage, wem welche Daten gehören, muss beantwortet werden.

-          Das Vorhandensein der Daten und die Möglichkeiten von Forstwirtschaft 4.0 sind auf höherer Managementebene noch weitgehend unbekannt.

-          Der Beruf des Forstmaschinenführers erfordert eine hohe Qualifikation, auch in digitaler Hinsicht .Der Rechner auf dem Harvester ist nur mit einem „Vorhängeschloss“ gesichert, die Daten werden ein Harvesterleben und darüber hinaus in der Cloud gespeichert. Eine Qualifizierung zum Forstmaschinenführer existiert aber immer noch nicht.

 

Die Chancen durch die Digitalisierung sind groß:

 

-          Eine Vernetzung und Integration digitaler Systeme in die Prozesskette „Forst und Holz“ ermöglicht einen ungebrochenen Daten- und Informationsfluss zwischen den Branchenpartnern. Der Rohstoff Holz kann davon nur profitieren.

-          Die Genauigkeit / Sicherheit der Ergebnisse steigt bis zu 300 % (z.B. Vorrat) gegenüber der bisherigen manuellen, analogen Vorgehensweise.

-          Der Aufwand der Datenerhebung ist (abgesehen von der Investition in Messtechnik) 0 %

-          Der Aufwand der Auswertung kann online automatisiert werden.

-          Die bisher Verantwortlichen können sich anderen Aufgaben widmen.

-          Inventuren / Taxationen herkömmlicher Vorgehensweise können entfallen. Wachstumsmodelle und Prognosen werden sicherer.

-          Holzkäufer und Waldbesitzer bekommen belastbare Zahlen über das Waldlager (Amazon – „noch 4 Stück vorhanden“)

-          Der Staat (Finanzämter) bekommt gesicherte Besteuerungsgrundlagen.

-          Entschädigungen/Taxationen von Waldimmobilien werden gerechter.

 

Bombosch folgert zum Schluss, dass die rasante Entwicklung dazu geführt hat, dass sich Insellösungen herausgebildet haben. Diese erschweren eine bundesweite Vernetzung erheblich. Er sieht hier Analogien zur deutschen Kleinstaaterei um das 15. Jahrhundert. Manche als wichtig erachtete Neuerungen sind allerdings schon überholt und verzichtbar. Mangelnde Steuerungen durch Staat und Gesetz führen dazu, dass die Gefahr besteht, durch ein System (Taxi – Uber → Forstwirt - MacHuber) überrollt zu werden.

 

Torsten Weber vom DGB Bildungswerk Bayern sieht im digitalen Wandel eine große Herausforderung für die Interessensvertretungen. Um hier mitbestimmen zu können, müssen Personalräte informiert sein. Bisher sind sie auf die Informationen des Arbeitgebers angewiesen. Notwendig ist es, die Personalvertretungen umfassend zu informieren über die Methoden, Systematiken und Potentiale der Datenerfassung, über rechtliche Rahmenbedingungen und über Datenethik. Mit Einführung cloudbasierter Datenerfassung und -auswertung können alle Daten personenbezogen und müssen damit mitbestimmungspflichtig sein. Die Rechenleistung vernetzter Systeme ist mittlerweile so gut, dass mit einer Verschneidung einer Vielzahl nicht personenbezogener Daten, Metadaten sowie die Auswertung von Datenströmen (wer kommuniziert wann mit wem?) auch Daten entstehen, die einen Bezug auf Leistungen und Verhalten einzelner Beschäftigter zulassen. Prinzipiell kann das überall dort passieren, wo Daten zur Kennzahlentwicklung und betrieblicher Steuerung erhoben werden. Über die Erfassung von Massendaten können Muster erkannt werden, die das Verhalten von Personen prognostizieren. Weber nannte als Beispiel ein bereits angemeldetes Patent von Amazon über einen Prognosealgorithmus über Wünsche einzelner Kunden, die es ermöglichen, Produkte zu versenden, bevor diese bestellt wurden. In die Arbeitswelt übertragen kann diese Entwicklung bedeuten, dass Arbeitgeber das Verhalten und die Leistung einzelner prognostizieren und Personalentscheidungen oder Beurteilungen daran ausrichten.

Ein Digitalisierungskonzept kann nur mit umfassender Qualifizierung erfolgreich sein. Diese muss auf alle Berufs- und Altersgruppen individuell zugeschnitten sein, die Technologien umfassend beleuchten und neue Qualifizierungsansätze (selbstständiges Lernen, Lernen mit KollegInnen, Lernen außerhalb der Arbeitswelt, elektronisch unterstützte Lernplattformen) beinhalten.

Die Arbeit 4.0. wird die gesamte Arbeitswelt verändern. Bisher waren es überwiegend geringer qualifizierte Beschäftigte, die diese Folgen zu spüren bekommen haben. Neuerdings sind es aber auch zunehmend Beschäftigte mit Hochschulabschlüssen, die durch Algorithmen ersetzbar werden.

 

In der anschließenden Podiumsdiskussion beschrieb Matthias Frost die aktuelle Entwicklung in der Fortbildung der Beschäftigten bei den BaySF. Dort sieht er einen guten Ansatz in der Fortbildung von Teams (Beschäftigte lernen zusammen und voneinander), sowie im Support in Form von Vor-Ort- Coaching. Auch die Information der Interessensvertretungen (GPR und örtliche Personalräte) werden demnächst über die digitale Entwicklung informiert. Frost sieht für die Zukunft flachere Hierarchien  bei Kommunikation und Betriebsabläufen. Ein Kritikpunkt seitens der Teilnehmer ist die Abkehr der BaySF von der eigenen Forsttechnik. Der Bedarf an Forstmaschinenführern gehört ebenfalls in ein digitales Gesamtkonzept bei den BaySF.

Prof. Dr. Steffen Rogg beobachtet bei den jüngeren StudentInnen eine abnehmende digitale Kompetenz, besonders bei der Bedienung von PC. Ein studentischer Diskussionsteilnehmer beklagte dazu die hohe Erwartungshaltung der Gesellschaft an die „Digital Natives“, diese hätten ja keinen Ausbildungsbedarf, da sie die IT zusammen mit der Muttermilch aufgesogen haben. Hier gibt es sowohl Ausbildungsbedarf an den Hochschulen und den forstlichen Bildungszentren, als auch Fortbildungsbedarf an den Betrieben und in der Verwaltung.

Für die Forstverwaltung sehen die Seminarteilnehmer noch einen größeren Bedarf. Ein Konzept fehlt, allein schon aufgrund des großen Personalmangels. Die Beschäftigten spüren mit der ungesteuerten Einführung digitaler Fachverfahren und der e- Akte einen immer größeren Arbeitsdruck.

Ein anderer Kritikpunkt ist die fehlende Wertschätzung und Honorierung der MitarbeiterInnen. Die tarifliche Grundlage des TV-L kommt immer noch aus dem BAT. Die Grundlage der tariflichen Eingruppierung entstammt dem „Vordigitalen Zeitalter“. Die Aneignung digitaler Kompetenzen und die entsprechenden Tätigkeiten werden nicht anerkannt und honoriert. Wenn die Tarifpartner hier keine Abhilfe schaffen, wird der öffentliche Dienst auch im Forst personell ausbluten.

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